Almuths ethno-histo Blog

Dies ist Almuth Waldenbergers allererster Blog, den sie für das Tutorium zur Vorlesung "Geschichte der Kultur- und Sozialanthropologie" an der Universität Wien im Wintersemester 2005/06 eröffnet hat. Blogs Frauchen ist grundlos sehr stolz darauf und freut sich auf viele schöne Posts und Kommentare!

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Standort: Wien, Wien, Austria

Freitag, Oktober 28, 2005

Evolutionismus...

Hm. Ich fühlte mich beim heutigen Tutorium in Bezug auf Evolutionismus im Allgemeinen und Tylor im Besonderen irgendwie seltsam. Ich verstehe nicht, warum die Idee, dass sich menschliche Gesellschaften nach allgemeinen Gesetzen entwickeln, abzulehnen ist?
Menschen bestehen aus denselben Stoffen und funktionieren nach denselben Prinzipien. Es scheint mir nur logisch, dass diese Gleichartigkeit der Menschen auch auf ihr Sozialverhalten wirkt. Ähnliche Umstände bewirken ähnliche Reaktionen, so ähnlich hat das jemand formuliert, an den ich mich momentan nicht erinnere. Der Satz scheint mir nichtsdestotrotz nicht so unlogisch. Jeder wird mit mir übereinstimmen, wenn ich sage, dass sich die Gesellschaften in Europa und in Afrika in ihren Grundzügen nicht anders entwickelt hätten, wenn man die Populationen dieser Kontinente vor 10.000 Jahren ausgetauscht hätte. Das habe ich von Jared Diamond, an seinen Namen erinnere ich mich, denn „Arm und Reich“ habe ich mit 17 fast in einem Zug durchgelesen.
Es hat also an der Umwelt gelegen, dass sich die menschlichen Populationen unterschiedlich entwickelt haben. Wenn es aber nicht die Individuen selbst waren, die ihre Gesellschaften bewusst gestaltet haben – welch ein romantischer, unwissenschaftlicher Gedanke im Übrigen! – und auch gleichzeitig Gesellschaften aus sich-entscheidenden Individuen bestehen --- dann muss es doch Regeln, Gesetze, allgemeine Prinzipien geben, nach denen Menschen in Gruppen sich entscheiden.
Die simple Grundregel „Vom Einfachen zum Komplexen“ – hat sie sich nicht global bewährt? So etwas kann man nicht an Entwicklungen nachvollziehen wollen, die keine paar hundert Jahre andauern. Gegen die Theorie, die Menschheit bewege sich auf einen Weltstaat zu, hat man den Zerfall des ehemaligen Jugoslawien nach dem Zweiten Weltkrieg angeführt. Dabei ist nicht einmal ein Jahrzehnt später, 1951, mit der Kohle- und Stahlgemeinschaft der Grundstein zu einer neuen übernationalen Vereinigung gelegt worden, quod erat demonstrandum. Meine Güte, welch halbgare Argumente. Aber ich sehe trotzdem nicht ein, warum wir sämtliche Anzeichen einer allgemeinen, einer für alle Gesellschaften gleichartigen Entwicklung ignorieren sollen.
Evolution heißt, dass sich jene Strukturen durchsetzen, die es am besten schaffen, sich gegen die anderen durchzusetzen. Das muss einem nicht gefallen, mir gefällt es jedenfalls nicht – aber es entspricht doch der Realität. Der Kolonialismus in Afrika hat weichen müssen – nicht so die europäischen nationalstaatlichen Strukturen. Heute hat sich der europäische Nationalstaat fast weltweit durchgesetzt, und das nicht deshalb, weil er so gut für die Menschen wäre sondern weil er mehr „Überzeugungskraft“ hatte. Und es würde auch nicht helfen, hier die brutale Überformungspolitik seitens der Kolonialmächte zu einem unglücklichen Unfall, einem verhinderbaren Vorgang machen zu wollen und zu verdammen. Der Vorgang und die Absichten der Europäer lagen in der Struktur ihres Systems. Sie mögen brutal gewesen sein, das negiert aber nicht, dass die Nationalstaatsstruktur sich als durchsetzungsfähiger erwiesen hat.
Wer sagt denn, dass westliche Gesellschaften als besser, in einem moralischen Sinne höher zu bewerten sind? Tylor? Na, und? Er hat das aus dem allgemeinen Konsens seiner Zeit heraus geglaubt, was ich persönlich nicht verurteilen kann. Wir sind alle unserer Zeit verhaftet, wir können uns als Anthropologen nur an wissenschaftliche Kriterien halten und hoffen, dass unsere Forschungsergebnisse dadurch für kommende Generationen nicht völlig wertlos sein werden.
Wenn Tylors Stufenmodell wie eine hierarchische Pyramide aussieht und uns das heute sauer aufstößt – ist die Idee von allgemeinen Gesetzen der Entwicklung menschlicher Gesellschaften deshalb vom Tisch?
Überhaupt die Stufen! Wie viele Köpfe wurden schon geschüttelt über die Stufen. Die Vorstellung, dass sich eine Bigmangesellschaft bewusst entschließt, auf die höhere „Stufe“ eines Chiefdoms zu klettern, nur um des „Fortschritts“ willen, ist ja wirklich eine skurrile. Aber ich glaube, wir unterschätzen die Logik der Evolutionisten (und ja, ich glaube daran, dass es sie gibt), wenn wir ihnen unterstellen, dass sie sich diese Stufen übergangslos vorgestellt haben. Gerade ein Engländer wie Tylor muss „gradual change“ mit der Muttermilch aufgesogen haben, und das meine ich so. Ein Evolutionist würde immer an eine fließende, nicht abrupte Entwicklung glauben.
Und er würde auch nichts gegen einen „Rückfall“ (mir steht kein neutrales Vokabular zur Verfügung, ich frage mich, woran das liegt) in einen Zustand von weniger Komplexität haben, denn ein solcher widerspricht dem allgemeinen Trend - der Entwicklung auf lange Sicht - nicht.
Meine Güte, das klingt für mich jetzt ein wenig nach Kronenzeitung. Vielleicht sollte ich mein Ehrgefühl über Bord werfen und für die schreiben. Dennoch besteht ein Unterschied zwischen diesem Text hier und einem, den ich für die Kronenzeitung verfasst hätte: obwohl ich mich immer wieder selbst klein gemacht habe, stehe ich auch zu dem, was ich geschrieben habe.
Vielleicht kommt ja eine Diskussion zustande?

Samstag, Oktober 22, 2005

Das erste Posting...

Dies ist also mein erstes Posting in meinem eigenen, kleinen, hoffentlich feinen Blog. Ich fühle schon jetzt, dass diese Technologie meinem unbändigen Drang zur Selbstexposition entgegen kommen wird.

Ich werde hier versuchen, regelmäßig meine Erfahrungen mit der Lektüre der Vorlesung, für deren Tutorium ich diesen Blog erstellen durfte, bekanntzumachen. Wenn ich mich wohl fühle damit, dann werde ich wohl auch andere Überlegungen zu meinen beiden Studienfächern (Kultur- und Sozialanthropologie und Geschichte) hier posten.
Und wer weiß, vielleicht vergesse ich die Öffentlichkeit dieses Raumes und gebe auch ein paar wilde, peinliche, absurde, egozentrische und sonstwie unpassende Details aus meinem Privatleben preis? Meiner Vergesslichkeit sind hier wahrscheinlich keine Grenzen gesetzt.

Draussen ist nasskaltes Nebelwetter, ich habe den Kampf mit den Elementen genossen und jetzt gebe ich mich der Behaglichkeit meiner "Höhle" hin...